#1 20.09.2016 17:22:47

Stoll P.
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Ist grösser auch besser?

Auszug aus dem Interview mit dem emeritierten Demokratie-Experten Wolf Linder, NZZ 9.5.2016 S. 11:

Wie können fusionierte Gemeinden erfolgreich Identität schaffen, bzw. wird in Fusionsdiskussionen nicht zu einseitig ökonomisch argumentiert?

Betriebswirtschaftliche Kriterien werden in der Tat oft überbewertet. Dass beispielsweise die Leistungsfähigkeit mit der Grösse zunimmt, mag für Unternehmen zutreffen. Auf Gemeinwesen lassen sich die «economies of scale» nur begrenzt und eine einzelne Leistung übertragen. Aber es gibt keine «optimale Grösse» für die Gesamtheit aller Leistungen. Und wie die Erfahrung lehrt, machen Fusionen die öffentlichen Einrichtungen zumeist nicht billiger. Finanzen sind wichtig, aber Gemeinden sind mehr als Ökonomie. Sie sind der identitätsstiftende Raum eines konstruktiven lokalen Zusammenlebens, der allen gehört, aber gerade darum abgegrenzt sein muss. Darin wird auch eine Vielfalt von nicht monetär abgegoltenen Dienstleistungen erbracht …

Auf Gemeindeebene haben Fusionen den Schritt von der Theorie zur Praxis gemacht. Wann wird das bei den Kantonen so weit sein?

Als ziemlich abwegig empfinde ich die Idee, die Schweiz in sechs Kantone gleicher Grösse aufzuteilen, um damit die Nachteile der ungleichen Grösse und Leistungsfähigkeit etwa zwischen Uri und Zürich zu überwinden. Sie entspricht der falschen Logik «Grösser ist besser». Würden wir diese konsequent anwenden, könnten wir uns gleich zu einem einzigen Kanton zusammenschliessen, doch dieser Kanton wäre dann trotzdem noch kleiner als Baden-Württemberg. Konsequenterweise müssten wir dann den Schluss ziehen, die Schweiz sei betriebswirtschaftlich einfach zu klein.

Was ist denn das relevante Kriterium?

Die Vielfalt. Sie erlaubt in einer Zeit vieler erzwungener und oft nur vermeintlicher Innovationen die Praktizierung von «trial and error», die die Spreu vom Weizen trennt, und sinnvolle Weiterentwicklungen der Institutionen. Um die Vielfalt eines Systems zu erhalten, braucht es Grenzen, Fehlerfreundlichkeit und Redundanz. Nicht zuletzt gewährt institutionelle Vielfalt den Einzelnen ganz unterschiedliche Lebensweisen, von den Bergdörfern bis in die urbanen Zentren.

Kommentar dazu:
Grösser ist nicht besser. Und dass die Verwaltung wie geplant billiger werden soll, dafür stehen die Chancen offenbar ziemlich schlecht. Es ist schwer verständlich, dass historisch gewachsenes politisches Kulturgut dem Zeitgeist eines einseitigen finanziellen Denken und Handeln geopfert werden soll.
Weshalb soll Scherz jetzt fusionieren? Weil es uns in Scherz jetzt noch gut geht (Gemeindeamman Hans Vogel immer wieder mal).

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